
40 Jahre Tetris - und ein aktueller Rekord
Salzburg [ENA] Pünktlich zum 40. Geburtstag hat der 16-jährige US-Amerikaner Michael Artiaga vor kurzem mit einer modifizierten Version des Spiels das höchste Level (255) und damit den "Rebirth" erreicht. Bis 2024 stürzte das System regelmäßig ab, ein "Killscreen" war die Folge. Die Betreiberfirma Nintendo hatte ohnehin mit einer derart tollen Leistung gar nicht gerechnet. Artiaga sammelte übrigens 29.400.000 Punkte. Chapeau!
Hand aufs Herz: Wer war diesem Computerspiel der ersten Stunde nicht verfallen? Stundenlang dudelte es vom Sofa im Wohnzimmer, aus der Küche oder einem anderen Raum. Eltern spielten gegen ihre Kinder, auch im Kollegenkreis wurde über die persönliche Bestmarke oder das erreichte Level leidenschaftlich diskutiert. Man konnte fast süchtig werden – so faszinierte dieses einfache und doch so beeindruckende Spiel, das auf dem handlichen Gameboy überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit gespielt wurde.
Die offizielle „Produktbeschreibung“ liest sich nüchtern und trocken: „Einzeln vom oberen Rand des rechteckigen Spielfelds herunterfallende, stets aus vier Quadraten zusammengesetzte Formen müssen vom Spieler in 90-Grad-Schritten gedreht und so platziert werden, dass sie am unteren Rand horizontale, möglichst lückenlose Reihen bilden. Sobald eine Reihe von Quadraten komplett ist, verschwindet sie, alle darüber liegenden Reihen rücken nach unten und geben damit einen Teil des Spielfeldes wieder frei. Für das gleichzeitige Tilgen mehrerer Reihen erhält der Spieler eine höhere Punktzahl pro Reihe als für eine einzelne Reihe.
Der Name des Spiels rührt von dem griechischen Wort für vier, tetra, und bezeichnet das gleichzeitige Tilgen von vier Reihen sowie die Zahl der Quadrate pro Form. Die Steine verhalten sich dabei physikalisch nicht korrekt. Die Formen bleiben in der Position liegen, in der sie landen, statt eventuell […] zu kippen. Die nachrückenden Reihen füllen in vielen Versionen keine vorher vorhandenen Lücken auf. […] Das Spiel endet, sobald sich die nicht abgebauten Reihen bis zum oberen Spielfeldrand aufgetürmt haben. Wenn eine bestimmte Gesamtzahl an Reihen entfernt worden ist, wird die Fall-Geschwindigkeit der Formen erhöht.“ (Quelle: „Tetris, das faszinierende Puzzlespiel“, amazon.de)
Sieben Tetrominos – zuerst im schlichten, monochromen Design, später auch in verschieden-färbigen Quadraten – haben Generationen von „Gamern“ in den Bann gezogen oder auch zur Verzweiflung gebracht. Gewiss, das gemächliche Anfangstempo lädt immer wieder aufs Neue zum Spielen ein: Gerade, wenn man eine Partie relativ schnell „versemmelt“ hat, will man es mit einem neuen Versuch besser machen. Oder man möchte seine persönliche Bilanz steigern – und so reiht sich ein Spiel an das andere.
Die Quadrate in Form eines I – J – L - O – S – T und Z sausen immer schneller nach unten, bis… ja bis sich nach einer gewissen Zeit ein unschöner Turm in die Höhe schraubt, die Finger mit dem Drücken der Buttons nicht mehr nachkommen, der Adrenalinspiegel steigt – und das Spiel unvermutet endet. Zusammen mit Dmitri Pawlowski und Wadim Gerassimow erfand der russische Programmierer Alexei Leonidowitsch Paschitnow 1984 während seiner Arbeit an der Moskauer Akademie der Wissenschaften das populäre Computerspiel.
Da das Spiel offiziell vom sowjetischen Staat herausgegeben und vertrieben wurde, erhielten die eigentlichen Urheber keine entsprechenden Einnahmen. In der weltweiten Vermarktung entwickelte sich ein Kampf um die Lizenzen, wobei sogar höchste politische Kreise eingeschaltet wurden. Paschitnow wanderte 1991, nach Auflösung des sowjetrussischen Staates, nach Amerika aus und gründete dort die „Tetris Company“. Er entwarf weitere Spiele, wobei die neuen Gewinne bei Weitem nicht an die Anfangssummen der späten 1980er Jahre herankamen.
Der Autor des Spiels erweist sich als Beobachter und Kenner des spielenden Menschen, wenn er sich zur Spielidee äußert: „Da steckt ein psychologischer Effekt dahinter! Du erledigst ständig Aufgaben, du wirst ständig vor ein neues Problem gestellt und löst es so gut es geht. Doch was übrig bleibt, sind nur deine Fehler. Die hässlichen Löcher auf dem Spielfeld. Also bist du stets motiviert, auch noch diese Aufgabe zu lösen!“ (Quelle: wikiquote)
Archetypisch betrachtet, ordnet das Quadrat als geometrische Figur den Raum und die Welt. Richtungen und Koordinaten, rechte Winkel und gleich lange Seiten geben Form und schaffen Einheit. Möglicherweise erklärt diese Sinngebung auch den Erfolg jener Brettspiele wie z.B. Schach, Go und Mühle, die das Quadrat als Spielfläche gebrauchen. Tetris wurde kopiert, imitiert und in verschiedenen Versionen auf fast allen Computersystemen angeboten. Allein der Gameboy mit dem mitgelieferten Tetris-Spiel verkaufte sich 70 Millionen Mal. Mittlerweile dürften das Spiel und seine Nachfolger zwischen 400 und 500 Millionen Mal über den Ladentisch gegangen sein.
Zur Musik: Parallel zum Spiel entwickelte sich die Musik zum Ohrwurm oder Nervtöter – je nachdem. Das Lied „Korobeiniki“ (russisch für „Hausierer“) stammt aus dem Russland des 19. Jahrhunderts (1861): Eine Gruppe von Hausierern zieht von Dorf zu Dorf und verkauft Stoffe, Kurzwaren und gebrauchte Bücher. Ein jüngerer Hausierer hat ein Auge auf eine „dunkeläugige“ Schönheit namens Katja geworfen und umwirbt sie. Zur in Moll gehaltenen Melodie wird getanzt, wobei sich das Tempo im Verlauf des Liedes langsam steigert. In Westeuropa wurde das Volkslied vor allem durch das Spiel „Tetris“ bekannt, die Firma Nintendo bezeichnete die Melodie wenig sensibel als „Music A“.
Vor einem Jahr (2023) brachte es der 13-jährigen Spieler Willis Gibson fertig, während eines Tetris Live-Streams Level 157 zu erreichen (Quelle: Golem.de). Danach stürzte der Computer unvermutet ab. Wie schon erwähnt, wurde das höchste Level (255) nun im Oktober 2024 bewältigt (s.o.). Mittlerweile wird Tetris sogar in der Traumatherapie eingesetzt: Das Spielen soll verhindern, dass besonders verstörende Aspekte des Erlebten im Gehirn abgespeichert werden. Zu hoffen bleibt, dass das Spiel nicht selbst zur Manie wird. Vielleicht suchen Sie, verehrter Leser und verehrte Leserin, ja heute Abend am Dachboden nach dem alten Game Boy. Eine neue persönliche Bestmarke ist wohl das Mindeste, was es zu erreichen gilt. Viel Spaß!